Die Chronik der Sievershäuser Ermutigung
Als 1988 der Plan gefasst wurde, vor dem Antikriegshaus ein DankMal für gelebte Menschlichkeit zu errichten, für all jene, die während der Nazi-Diktatur Verfolgten geholfen haben, entstand gleichzeitig die Idee eines Sievershäuser Friedenspreises als Ermutigung für Menschen, die sich als einzelne Personen oder in Gruppen organisiert für Frieden und Menschenrechte in heutiger Zeit einsetzen. Datum für die „Preisverleihung“ sollte der 10. Dezember sein, der Tag, an dem im Jahr 1948 die Deklaration der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen vollzogen wurde.
Von den Initiatoren wurde dieser erste Friedenspreis nach Aussage von Klaus Rauterberg zunächst als ‚Versuch‘ angesehen, der aber zumindest einmal noch wiederholt werden sollte. Wichtigster Partner zur Unterstützung des Friedenspreises, in seiner ersten Ausgabe mit insgesamt 4.500 DM dotiert, war von Beginn an die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden. In den folgfenden Jahren erfuhr der Verein Dokumentationsstätte zu Kriegsgeschehen und über Friedensarbeit Sievershausen e.V. auch Unterstützung durch den ev.-luth. Kirchenkreis Burgdorf und durch Sievershäuser Bürger und Geschäftsleute.
1988 Thematischer Schwerpunkt der ersten Ausschreibung war zum 50. Jahrestag des 9. November 1938 das Gedenken an die Opfer der Novemberpogrome. Die erste Trägerin des Sievershäuser Friedenspreises, der erst in der Ausschreibung für das Jahr 1992 den Namen Sievershäuser Ermutigung erhielt, war Gerhild Birmann-Dähne aus Zeitlofs, die für ihre Fotoausstellung „Haus des Ewigen Lebens“ über die Reste und Spuren jüdischer Friedhöfe „irgendwo und nirgendwo in Deutschland und Israel“.
1990, im Zeichen der Vereinigung von BRD und DDR, stand der Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Mittelpunkt des Friedenspreises. Wieder gab es mehrere Ausgezeichnete, u.a. die Gruppe Cabana aus dem Ostteil Berlins, die in der evangelischen Bartholomäusgemeinde einen Ausländertreff eingerichtet hatte, um der Isolierung ausländischer MitbürgerInnen entgegen zu wirken, und die die deutsche Sektion von amnesty international.
1992 richtete sich der Fokus auf die Versöhnung und Verständigung Deutschlands mit den Völkern Osteuropas und der ehemaligen Sowjetunion. Der Krieg im zerfallenden Jugoslawien nahm zunehmend Einfluss auf die Arbeit des Antikriegshauses und auch auf die Wahl der Preisträger; in diesem Jahr wurde die Gruppe Suncokret (Kroatien) und mit ihr der niederländische Friedensaktivist Wam Kat ausgezeichnet.
1994 rückte die Auseinandersetzung um Deserteure und Kriegsdienstverweigerer in den Blickpunkt, auch nahezu fünfzig Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges noch immer ein heißes Eisen der politischen Diskussion in der deutschen Gesellschaft. Ludwig Baumann, der Vorsitzende der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz stand an der Spitze der Geehrten für seinen langjährigen Einsatz für ehemalige Wehrmachtsdeserteure und Wehrkraftzersetzer. Die Friedensbibliothek/Antikriegsmuseum Berlin wurde für die Ausstellung „Zerstörung und Erlösung“ zum gleichen Thema.
1996 wurde die Problematik von Rüstungsexporten und der Verseuchung weiter Teile der Erde mit Landminen thematisiert. Der Jesuitenpater Jörg Alt wurde für seinen Einsatz als Koordinator des ‚Deutschen Initiativkreises für das Verbot von Landminen‘ ausgezeichnet.
Der Bundeskongress entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (BUKO) wurde für die Kampagne „Stoppt den Rüstungsexport“ geehrt.
1998 waren Mediation und Zivile Konfliktbearbeitung das Thema, nicht nur aufgrund des Krieges vor unserer Haustür. Preisträger waren u.a. der deutsche Zweig von Peace Brigades International, die Bildungs- und Begegnungsstätte KURVE (Wustrow), derFriedenskreis Halle sowie Pater Sava Jancic und die Mönche des serbisch-orthodoxen Klosters Decani im Kosovo, die sich immer wieder um das friedliche Zusammenleben von Serben und Albanern bemüht haben und ihren albanischen Nachbarn innerhalb der Klostermauern Schutz vor der Verfolgung durch die Milosevic-Milizen boten.
2000 gab es nur eine ausgezeichnete Organisation, und noch immer wirkte das Thema Ex-Jugoslawien. Preisträger war ein gemeinsames Jugendprojekt der Städte Burgdorf (Region Hannover), Rheden (Niederlande) und Cheb (Tschechische Republik), die im zentralbosnischen Fojnica zusammen mit jungen Bosniern am kulturellen und gesellschaftlichen Wiederaufbau der im Krieg heftig umkämpften Kleinstadt arbeiteten.
2003 bestimmte wieder unser Arbeitsschwerpunkt Erinnerung und Versöhnung des Thema der Ermutigung. Träger des Friedenspreises wurde in diesem Jahr Jürgen Kumlehn aus Wolfenbüttel, im ‚Hauptberuf‘ in den Diakonischen Anstalten Neu-Erkerode tätig. Er hat die Geschichte der Wolfenbütteler Juden zusammengetragen und in einem Buch dargestellt, das in diesem Jahr veröffentlicht werden konnte.
2006 wurde die Sievershäuser Ermutigung für einen erfolgreichen und überzeugenden Beitrag in der praktischen Friedensarbeit in Kaukasien ausgeschrieben. Taita Junusova wurde als Preisträgerin ausgewählt und von Rupert Neudeck in einer beeindruckenden Laudatio geehrt.
2008 stand für uns das Problem der Kindersoldaten im Vordergrund. Weltweit werden ständig etwa 300.000 Jungen und Mädchen als Soldaten missbraucht. Ermutigt wurde das Projekt MADAM aus Sierra Leone, das sich mit Erfolg und der Unterstützung von BROT FÜR DIE WELT um die Rehabilitation ehemaliger Kindersoldaten des Bürgerkrieges bemüht.
2010 wurde die junge Radiojournalistin María Isabel Gámez aus dem Departement Cabañas in El Salvador unterstützt. Sie war dort zuletzt Leiterin der Nachrichtenredaktion des Senders ‚Radio Victoria‘. Für ihren Sender hat sie über Umweltverbrechen im Bergbau, soziale Missstände, Menschenrechtsverletzungen und Korruption berichtet.
2012 gab es die Sievershäuser Ermutigung 2012 für die Christliche Basisgemeinschaft Brot & Rosen und die Diakonische Migrationsarbeit für Personen mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus DiaMiPA , Initiativen, die sich in herausragender Weise für die Rechte von Menschen ohne Papiere engagieren. Menschen, die vor unhaltbaren Zuständen in ihren Heimatländern geflohen und sich hier in ebenso unhaltbaren Zuständen wiederfinden.
2014 wurde mit dem forumZFD wird eine Organisation ausgezeichnet, die sich erfolgreich und vorbildlich für zivile, gewaltfreie Konfliktbearbeitung im nationalen und internationalen Rahmen einsetzt. Die Ehrung soll auch daran erinnern, dass Militäreinsätze, Rüstungsexporte und Kriegslogik keinen Frieden schaffen.
2016 AMICA e.V. aus Freiburg wird für ein engagiertes Eintreten für Frauen und Mädchen geehrt, die in Kriegs- und Konfliktgebieten unter Traumata leiden und darin unterstützt werden, diese zu verarbeiten und wieder ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
2018 ging die Ermutigung an die Culture Counts Foundation, die für ein Netz von Projekten geehrt wurde, in dem engagierte Reporter*innen, Fotograf*innen und Friedenspädagog*innen gute hintergründige Reportagen aus Krisen- und Konfliktregionen produzieren, diese (zusammen mit der Berghof Stiftung) didaktisch aufbereiten und für den Bildungsbereich zur Verfügung stellen.